Turbolader (Fehlersuche)

Aus T4-Wiki
Version vom 30. März 2022, 09:04 Uhr von Bernd 75kW (Diskussion | Beiträge) (→‎Checkliste)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Aufgrund der doch erheblichen Komplexität des Turboladersystems ist die Fehlersuche in der Regel recht aufwändig. Bei der Fehlersuche ist grundsätzlich zwischen der reinen Mechanik des Turboladers und seiner Ansteuerung zu unterscheiden.


Fehlersymptome

In den meisten Fällen macht sich eine Störung im Bereich des Turboladers durch eine deutlich reduzierte Leistung des Motors bemerkbar. Insbesondere wird häufig das deutlich spürbare Einsetzen des Turboladers im Bereich von ca. 2.000 U/min fehlen bzw. in den Bereich höherer Motordrehzahlen verschoben, und nicht selten geht das Motorsteuergerät in den Notlauf, wenn eine höhere Leistung abgefordert wird; meist bei Drehzahlen um 3.000 U/min.
Häufig wird bei T4 mit Motorsteuergerät ein Eintrag im Fehlerspeicher vorhanden sein, der auf Probleme mit der Ladedruckregelung hinweist.


Ladedruckmessung

Der Ladedruck kann bei den TDI-Motoren im Stand nicht sinnvoll gemessen werden. Da das Motorsteuergerät keine Last erkennt, steuert es das Magnetventil N75 für die Ladedruckbegrenzung nicht an. In der Folge baut sich selbst bei Vollgas nur ein sehr geringer Ladedruck auf. Bei einem neueren ACV kommt man z.B. nur mühsam auf knapp 0,4 Bar. Dies sollte nicht als Fehlfunktion des Turboladers bzw. des Ladedruckregelsystems fehlinterpretiert werden.
Will man den Ladedruck bei diesen Motoren aussagekräftig messen, muss der Wagen gefahren werden (Straße oder Rollenprüfstand).
Bei TDI-Motoren mit VTG-Lader (AHY, AXL, AXG) kann auch eine mangelhafte Unterdruckversorgung Ursache für einen zu geringen Ladedruck sein. Die Ursache dafür kann auch im Bereich außerhalb der Ladedruckregelung liegen (z.B. Climatronic oder Warmwasser-Zusatzheizung), was die Fehlersuche erheblich schwieriger gestaltet, weil der Fehler u.U. nur sporadisch auftritt.

Beim 4-Zylinder-TD-Motor ABL, der kein Motorsteuergerät und deswegen eine rein mechanische Ladedruckregelung besitzt, wäre die Messung im Stand mit Einschränkungen möglich. Sie sollte aber auch entweder während der Fahrt oder auf dem Prüfstand erfolgen.

Beim TD-Motor ABL muss der Ladedruck mit einem Messgerät (Anschluss am Schlauch zum AGR-Ventil) entweder auf dem Prüfstand (3. Gang, 3500 bis 3700 U/min) oder während der Fahrt (hohe Drehzahl im 2. Gang während des Abbremsens auf 60 km/h) gemessen werden.

Es müssen die folgenden Sollwerte erreicht werden:

Motoren
Ladedruck [bar]
ABL 0,6 - 0,83


Bei den TDI-Motoren erfolgt die Messung des Ladedrucks über die Eigendiagnose durch Auslesen der Werte im Messwertblock 11 während einer Messfahrt. Vorgehensweise:

  • Motor warmfahren.
  • Im 3. Gang mit 1500 U/min fahren und Vollgas geben.
  • Ladedruck bei 3000 U/min messen. Relevant ist der Wert im Feld 3.


Es müssen die folgenden Sollwerte erreicht werden:

Motoren
Ladedruck [mbar]
AJT 1500 - 1800
ACV bis MJ1999 1700 - 1930
ACV, AUF, AXL ab MJ2000 1700 - 1950
AHY bis MJ1999 1830 - 2110
AHY, AXG ab MJ2000 1750 - 2080


Beim ACV liegt der max. Ladedruck erfahrungsgemäß im Bereich von 0,85 Bar. Beim Beschleunigen sind jedoch kurze Überschwinger bis 1,1 Bar normal.

Mechanik

Grundsätzlich gilt der Turbolader im T4 als langlebig und rein mechanische Probleme wie Beschädigungen der Leitschaufeln oder Lagerschäden sind eher die Ausnahme. Typische Ursachen für Probleme in diesem Bereich sind

  • über die Ansaugleitungen eingedrungene Fremdkörper,
  • Schmierungsmangel durch hochdrehen des Motors direkt nach dem Start,
  • Ölmangel durch Verstopfung der Ölleitung zum oder vom Turbolader,
  • ungeeignetes Öl oder stark überzogene Ölwchselintervalle,
  • Überhitzung des Öls durch zu frühes Abstellen des Motors nach Fahrt mit hoher Motorlast,
  • Defekt, Schwergängigkeit oder gelockerte Befestigung des Ladedruckregelventils,


Mechanische Fehler machen sich in der Regel bemerkbar durch


Ohne Ausbau und Zerlegung des Turboladers sowie ohne entsprechendes Messgerät ist eine umfassende Prüfung der Mechanik nicht möglich. Ölverluste, Probleme mit Mechanik des Ladedruckregelventils und Lagerschäden lassen sich aber auch im eingebauten Zustand ohne weitere Hilfsmittel zumindest rudimentär erkennen bzw. prüfen.

Das Lagerspiel läßt sich nach Abbau des Verbindungsrohrs vom Luftfilter/Luftmassenmesser zum Turbolader auf der Verdichterseite wie folgt prüfen:

Prüfung des Spiels der Welle
  • Welle greifen und radial bewegen. Dabei ist ein (erforderliches) Radialspiel von wenigen 1/10 mm erlaubt.
  • Welle leicht anheben und drehen. Dabei dürfen keine Schleifgeräusche auftreten und der Drehwiderstand darf sich nicht verändern. Ansonsten kann man von einem Lagerschaden ausgehen.
  • Fehlendes Spiel deutet auf Lagerprobleme hin, die durch verkoktes Öl verursacht wurden.
  • Ein Axialspiel (Hin- und Herschieben der Welle) sollte nicht (deutlich) spürbar sein.

Luftversorgung

Der Turbolader kann natürlich nur dann hinreichenden Ladedruck aufbauen, wenn die Luftversorgung zum Turbolader sichergestellt ist. Dem entsprechend kann ein stark verschmutzter oder durchnässter Luftfilter die Ladedruckregelung wegen eines zu geringen Luftdurchsatzes erheblich beeinflussen. Ähnliches gilt bei Undichtigkeiten auf dem Weg vom Luftmassenmesser (LMM) durch das Verbindungsrohr zum Turbolader. Durch sie kann die Regelgröße Luftmasse insofern verfälscht werden, als dass am Turbolader andere als am LMM gemessene Luftmassenwerte auftreten.

Ein typisches Problem sind zudem Undichtigkeiten auf der Saugrohrseite des Turboladers, wie z.B. verschlissene Druckschläuche. Durch diese Undichtigkeiten kann der Ladedruck reduziert werden, was das Motorsteuergerät in den Notlauf versetzt, weil Soll- und Ist-Ladedruck nicht mehr zueinander passen. Häufig finden sich Undichtigkeiten an den Anschlussstellen der Schläuche, weil dort die mechanische Belastung am größten ist. Auch sollte man auf Stellen achten, an denen Schläuche mit anderen Teilen in Berührung kommen. Nachfolgend 2 Beispiele:

Potenzielle Undichtigkeiten
Potenzielle Undichtigkeiten

Ein nicht seltenes Problem ist in diesem Zusammenhang eine Undichtigkeit am saugrohrseitigen Turbolader-Schlauchanschluss; ab Werk ist zwischen Verbindungsrohr (074 129 715 F für einen 2003er ACV, ca. 21,36€ (2012)), und Turbolader ein Runddichtring 42,5x3 verbaut (030 121 119, ca. 1,95€ (2012)).

Dichtring

Dieser verschleißt und verursacht zudem möglicherweise einen Materialabtrag am Verbindungsrohr; siehe das nachfolgende Bild von Michael:

Verbindungsrohr

Ist dieses lose, so kann hier eine Federband- oder normale Schlauchschelle (40-60 mm) helfen. Zu beachten ist jedoch, dass das Material des Verbindungsrohr recht hart ist. Besteht schon viel Spiel, wird man mit der Schlauchschelle wohl scheitern, wenn nicht auch der Dichtring ersetzt wird. Der Dichtring könnte dann auch ein 'Nummer' größer (6 statt 3 mm Stärke) gewählt werden. Die nachfolgenden Bilder von B.Rude und JoM zeigen die Anschlussstelle ohne und mit Schlauchschelle:

Schlauchanschluss ohne Schlauchschelle
Schlauchschelle am Luftanschluss
Detailaufnahme der Schlauchschelle

Um den Dichtring zu erneuern, muss das Plastik-Verbindungsrohr vom Turbolader abgezogen werden. Dabei beachten, dass es zusammen mit dem Rohr für den Ölmessstab mit einer Sechskantschraube (SW8, 10 Nm) am Zylinderkopf befestigt ist:

Befestigung des Verbindungsrohrs Turbolader


Des weiteren sollte man den Ladeluftkühler genauer unter die Lupe nehmen und dabei insbesondere nach übermäßigen Ölspuren fahnden. Je mehr Öl im Ladeluftkühler vorhanden ist, desto geringer ist dessen Kühlleistung. Und im schlimmsten Fall saugt der Motor das Öl aus dem Ladeluftkühler an, was zu Motorschäden führen kann.
Zu guter Letzt sollte geprüft werden, ob der Abgasstrang eventuell durch einen defekten Katalysator oder Schalldämpfer verstopft ist.

Kraftstoffversorgung

Die Kraftstoffversorgung hat grundsätzlich keinen Einfluss auf den Turbolader. Sie führt bei Störungen aber natürlich auch zu Leistungsverlust/-einbruch. In der Regel wird dabei ein Fehler im Bereich Mengensteller im Fehlerspeicher abgelegt. Ist das der Fall sind Kraftstofffilter und Kraftstoffleitungen (Luftblasen) zu prüfen.


Ölverlust

Übermäßiger Ölverlust am Turbolader und durch den Auspuff (Blaurauch) kann auf Probleme im Bereich der Luftversorgung und/oder des Motors hindeuten.

  • Ein verstopfter Luftfilter kann im Ladedruckbereich einen starken Unterdruck erzeugen, der das Motoröl über die verdichterseitige Abdichtung saugt.
  • Zu hoher Druck im Bereich der Ölwanne oder des Kurbelgehäuses behindert den Rücklauf des Motoröls aus dem Turbolader und führt in Folge zum Ölverlust am Turbolader in Richtung Verdichter und/oder Turbine, obwohl kein Fehler am Turbolader selbst vorliegt.


Checkliste

Die nachfolgende Checkliste enthält Prüfpunkte, mit denen man die gängigen Fehlerursachen im 'Bordmitteln' (inkl. Diagnoseadapter) schnell identifizieren sollen könnte. Die Fehlersuche sollte bei kaltem Motor begonnen werden.

  1. Fehlerspeicher auslesen, ggf. Fehler notieren und löschen. Fehlerursache (z.B. defekte Geber) beseitigen.
  2. Besitzt der T4 ein reversibles (Chip-)Tuning, dieses für die weitere Fehlersuche deaktivieren.
  3. Luftweg zum Turbolader prüfen.
    1. Luftfilter auf starke Verschmutzungen und Feuchtigkeit überprüfen und ggf. wechseln.
    2. Dabei den Luftfilterkasten reinigen sowie den Dämpfer/Schaumststoff zwischen Luftfilterkasten und Kiemen am Kotflügel prüfen.
    3. Schläuche vom Luftfilterkasten über den Ladeluftkühler (LLK) zum Turbolader auf Beschädigungen und festen Sitz prüfen. Dabei insbesondere auf den festen Sitz des Schlauchs am Turbolader achten; siehe Abschnitt Luftversorgung.
      Schlauchanschluss ohne Schlauchschelle
    4. Ggf. Schlauch LLK-Turbolader am LLK abnehmen und auf übermäßigen Öleintrag prüfen.
  4. Turbolader äußerlich prüfen.
    1. Festen Sitz des Ladedruckregelventils sowie Beweglichkeit der Betätigungsstange prüfen, wozu durchaus einige Kraft aufgebracht werden muss.
    2. Vollzähligkeit und festen Sitz aller Schrauben am Gehäuse des Turboladers prüfen.
    3. Auf Ölspuren achten; siehe Abschnitt Ölverlust. Bei starkem Ölverlust Schlauch vom LLK zum Turbolader abnehmen und Lagerspiel des Turboladers prüfen; siehe Abschnitt Mechanik.
  5. Sämtliche Druck-/Unterdruckschläuche zum/vom Turbolader auf festen Sitz sowie Dichtigkeit prüfen.
    1. Dabei bei TDI-Motoren bis MJ1999 auch den Druckschlauch vom LLK bzw. Luftrohr zum Motorsteuergerät prüfen; siehe Artikel Geber G71 (Saugrohrdruck). Den Schlauch ggf. abnehmen und prüfen, ob er innen verölt ist.
      Beim TD-Motor ABL prüfen, ob der Ladedruck-Prüfanschluss abgedichtet ist.
      AGR-Anlage ABL
    2. Sollten die Problem nach einer Reparatur im Bereich der Ladedruckregelung aufgetreten sein, sollte zudem der korrekte Anschluss der Schläuche an die diversen Magnetventile geprüft werden.
  6. Abgasrückführungsanlage (AGR) auf Dichtigkeit und Funktion prüfen. Ggf. für die weitere Fehlersuche die AGR verschließen. Bei T4 ab MJ2001 auch die Saugrohrklappe prüfen.
  7. Motor anlassen und warm laufen lassen. Dabei per Eigendiagnose die Betriebswerte (z.B. Anzeigegruppe/Messwertblock 000) beobachten und auf Plausibilität prüfen.
    1. Insbesondere sollte die Kühlmitteltemperatur kontinuierlich und ohne Sprünge mit der Motorlaufzeit steigen.
    2. Zusätzlich in dieser Leerlauf-Phase die Ladedruckwerte (Soll/Ist, Höhengeber) prüfen; siehe Artikel Geber G71 (Saugrohrdruck). Bei TDI bis MJ1999 läßt sich zusätzlich die Ladedruckerfassung überprüfen, indem der Druckschlauch vom LLK/Luftrohr zum MSG abgenommen und mit Druck beaufschlagt wird. Achtung: der Druck darf keinesfalls über 2 Bar betragen, weil sonst der Geber beschädigt wird. Ein kräftiges Hineinblasen in den Schlauch dürfte ausreichen, um eine Veränderung des Messwertes zu erreichen. Bei laufendem Motor kann dieser Test einen Eintrag im Fehlerspeicher zur Folge haben; einfach wieder löschen.
    3. Leerlaufruheregelung bei halbwegs warmen Motor per Eigendiagnose prüfen. Bei großen Abweichungen deren Ursache(n) (z.B. Kraftstoffversorgung, Einspritzdüse) beseitigen.
  8. Stellglieddiagnose der Magnetventile für Einspritzbeginn (N108) und Ladedruckbegrenzung (N75) durchführen. Bei laufendem Motor beginnen; er wird während der Stellglieddiagnose abgestellt.
    1. Die Ansteuerung des Magnetventils N108 muss zu einer Veränderung des Verbrennungsgeräusches in Richtung Nageln führen.
    2. Das Ventil N75 muss klicken, was man ggf. nur durch Anfassen des Ventils erfühlen kann. Beim 111 kW-TDI (AHY bzw. AXG) muss sich zudem die Bestätigungsstange des Ladedruckregelventils am Turbolader solange hin- und herbewegen, bis der Unterdruckspeicher 'entleert' ist; mindestens 3 bis 4 Mal.
  9. Motor warm fahren (> 80°C) und Volllast-Messfahrt durchführen. Dabei in der Anzeigegruppe 010 die Werte für Gaspedalstellung, Luftmasse und Ladedruck sowie in Anzeigegruppe 008 die Einspritz-Werte protokollieren. Ergeben sich im letztgenannten Bereich Auffälligkeiten, die Kraftstoffversorgung prüfen.
    1. Im 3. Gang mit 1500 U/min fahren und Vollgas geben.
    2. Werte bei 3000 U/min messen.
    3. Werte auswerten und identifizierte Probleme (z.B. LMM) beseitigen.
  10. Förderbeginn bei noch heißem Motor (> 80°C) überprüfen und ggf. Förderbeginn einstellen.
  11. Ist das Problem immer noch nicht identifiziert, wird man in der Regel Bauteile testweise tauschen müssen.
    1. Kandidat Nr. 1 ist erfahrungsgemäß das Ventil N75 (Ladedruckbegrenzung), das häufig keine Auffälligkeiten zeigt, aber dennoch - insbesondere bei den 111 kW-TDIs - nicht mehr vernünfigt taktet. Bei den 111 kW-TDI-Motoren AHY bzw. AXG kann dazu das fast baugleiche Ventil N18 (Abgasrückführung) genutzt werden.
    2. Undichtigkeiten der diversen Unter-/Überdruckschläuche vom/zum Turbolader lassen sich nur schwer finden. Wenn ansonsten keine Ursache für die Turbolader-Probleme gefunden werden können, empfiehlt es sich die Schläuche der Reihe nach zu ersetzen.
    3. Zu guter Letzt sollte testweise das Motorsteuergerät gewechselt werden.