Gelenkwelle
Funktion
Die Gelenkwelle (auch Antriebswelle), deren technisch korrekte Bezeichnung Gleichlaufwelle ist, überträgt im T4 das Drehmoment vom Getriebe an die Vorderräder. Es handelt sich im Wesentlichen um 2 Gleichlaufgelenke, die über eine Welle mit Verzahnung verbunden sind. Diese Anordnung erlaubt eine gleichförmige, von den Biegewinkeln an den Gelenken (Lenk- und Federbewegungen) weitestgehend unabhängige Übertragung der Drehbewegung.
Getriebeseitig (innen) ist das Gleichlaufgelenk der Gelenkwelle mit den Flanschwellen verschraubt. Diese (und auf der rechten Seite die Steckwelle) stellen die Verbindung mit dem Ausgleichgetriebe (Differential) her. Die Flanschwelle auf der linken Seite ist zum axialen Längenausgleich der Differenzen bei Durchfederung des Fahrzeugs lediglich in das Ausgleichgetriebe eingeschoben und mit einem Sicherungsring getriebeseitig gegen ein Herausrutschen gesichert. Aufgrund dieser zusätzlichen Funktion wird dieses Gelenk auch Verschiebegelenk genannt. Es erlaubt nur geringe Biegewinkel, dafür aber eben eine axiale Verschiebung der Welle in der Größenordnung von ca. 5 cm.
Radseitig ist das Gleichlaufgelenk (mit kurzer Radwelle mit Verzahnung) mit der Radnabe über eine zentrale Schraube verbunden, die in die Welle eingeschraubt wird. Das deutlich beweglichere Gleichlaufgelenk dieser Seite wird durch diese Art der Befestigung in einer Aufnahme am Radlagergehäuse fixiert. Bei T4 mit ABS ist zusätzlich das Geberrad für den ABS-Sensor am Gelenk befestigt.
Beide Gelenke sind durch eine Gelenkschutzhülle (Achsmanschette) gegen Fettverlust bzw. Verschmutzungen geschützt. Zum Wechsel dieser Manschetten müssen die Gelenkwellen zumindest teilausgebaut werden.
Einbauort
Das nachfolgende Bild zeigt den Einbauort der Antriebswellen an der Vorderachse eines 111 kW-TDI-T4. Bei T4 mit Schaltgetriebe sind links und rechts identische Gelenkwellen verbaut.
Teilenummern
Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Antriebswellen werden an dieser Stelle keine Teilenummern aufgelistet. Die Preise für komplette Antriebswellen (inkl. Gelenken und Manschetten) bewegen sich in der Größenordnung von 500 Euro. Allerdings sind die üblicherweise benötigten Ersatzteile als Einzelteil erhältlich:
- Gelenke innen und außen (ca. 150 bis 350 Euro)
- Gelenkschutzhüllen mit Montagematerial (ca. 25 bis 30 Euro)
In 07/1994 (FIN: 70-RH136291) wurde die Kontur der Innenverzahnung beim Gleichlaufgelenk außen geändert. Teile vor und nach dieser FIN können nicht zusammen verbaut werden.
Betrieb und Probleme
Grundsätzlich sind die Gelenkwellen (inkl. der Gleichlaufgelenke) trotz des hohen Fahrzeuggewichtes sehr langlebig. Sie leben allerdings von ihrer Fettfüllung, die durch die Gelenkschutzhülle vor dem Austreten bzw. dem Eindringen von Verschmutzungen und Feuchtigkeit geschützt wird. Sind diese Gelenkschutzhüllen beschädigt (durch Alterung, Steinschlag etc.), kann das Gelenk in der Folge sehr schnell verschleissen. Dies macht sich dann meist durch erhöhtes Spiel sowie Klappergeräusche bei Lastwechseln bemerkbar. Dem entsprechend sollten die Gelenkschutzhüllen regelmäßig überprüft und bei selbst kleineren Beschädigungen schnell gewechselt werden. Dabei sollte auf jeden Fall das Rad geschwenkt und gedreht werden, damit man keine Risse o.ä. übersieht.
Da das Fahrzeug in erster Linie vorwärts bewegt wird, verschleissen die Kugelführungen der Gleichlaufgelenke in der Regel nur auf der dieser Drehrichtung entsprechenden Seite. Und da bei T4 mit Schaltgetriebe auf beiden Fahrzeugseiten identische Gelenkwellen zum Einsatz kommen, könnte man sich bei zu viel Spiel eines Gelenkes bei diesen T4 überlegen, einfach die Gelenkwellen von einer Seite auf die andere zu tauschen. Möglicherweise beseitigt dieses Vorgehen das Problem zumindest für einige Zeit.
Arbeiten an der Gelenkwelle
Gelenkwelle aus- und einbauen
Hinweise:
- Zum Lösen bzw. Festziehen der radseitigen Befestigungsschraube muss das Fahrzeug voll belastet auf dem Boden stehen.
- Nach Lösen der radseitigen Befestigungsschraube dürfen die Radlager nicht mehr belastet werden, da sie sonst beschädigt werden können.
- Die rad- und getriebeseitigen Befestigungsschrauben müssen ersetzt werden (Dehnschrauben).
- Gelenkschutzhüllen auf Risse und Scheuerstellen prüfen und ggf. ersetzen.
- Zur Entnahme des radseitigen Teils der Gelenkwelle muss das Rad 'weggeklappt' werden. Dies lässt sich entweder durch Lösen des Spurstangenkopfes oder Entspannen der Drehstabfeder und Abschrauben des unteren Achsgelenkes erreichen. Beide Methoden werden beschrieben; die Letztgenannte ist die VW-Methode. Die erstgenannte Methode eignet aber aber gegebenfalls nicht, um die Wellen komplett auszubauen.
- Innenvielzahnschraube Achsgelenk/Radlagergehäuse nach dem Lösen ersetzen.
- Bei dieser Arbeit kann es bei hohem Zug an der Gelenkwelle vorkommen, dass die an der Gelenkwelle festgeschraubte Flanschwelle auf der linken Seite aus dem Getriebe gezogen wird. Sie ist nur eingesteckt und mit einem Sprengring gesichert. Wird sie nicht wieder korrekt reingedrückt, wird das Getriebe Öl verlieren.
- Bei T4 mit Automatikgetriebe müssen Motor und Getriebe etwas nach vorne gedrückt werden, damit man die Gelenkwelle am Getriebe vorbei entnehmen kann. Dazu muss zunächst die große Pendelstütze getriebeseitig gelöst werden. Sie ist mit einer Dehnschraube befestigt, die getauscht werden muss.
Werkzeug:
- Schraubenschlüssel oder Einsatz für Sechskantschraube M16
- Drehmomentschlüssel für o.a. Einsatz bis 150 Nm
- Schraubenschlüssel oder Einsatz für Sechskantschraube M10 (T4 vor 1996)
- Drehmomentschlüssel für o.a. Einsatz bis 55 Nm
- Innenvielzahnschlüssel SW14 oder Einsatz für Innenvielzahnschraube M12 (T4 ab 1996)
- Drehmomentschlüssel für o.a. Einsatz bis 100 Nm
Arbeitsschritte:
- Befestigungsschraube Gelenkwelle/Radnabe lösen.
- Fahrzeug aufbocken oder zumindest Rad entlasten.
- Motorwanne abbauen.
- Gelenkwelle radseitig entnehmen - VW-Methode:
- Drehstab entspannen
- Schraubverbindung Radlagergehäuse-Führungsgelenk trennen und Befestigungsschraube für Stoßdämpfer/Koppelstange ausbauen und Stoßdämpfer ganz zusammenschieben. Nun lässt sich das Rad wegklappen und die Gelenkwelle kann radseitig herausgenommen werden.
- Die alternative Methode wäre das Lösen des Spurstangenkopfes. Das Rad nach dem Lösen des Spurstangenkopfes so verdrehen, dass die Gelenkwelle - wie im Bild - in Richtung des Stabilisators aus seiner Halterung gehoben werden kann. Siehe dazu auch oben unter Hinweise!
- Befestigungsschrauben Gelenkwelle-Getriebeflansch lösen. Um an die passenden Schrauben gelangen zu können, kann man an der Bremsscheibe drehen. Um nicht das Radlager zu gefährden, sollte die Zentralschraube noch relativ fest angezogen sein. Bitte auch darauf achten, dass das aus dem Gelenk geschleuderte Fett nicht auf der Bremsscheibe/Bremsklötzen verteilt wird. Dazu sollte man das Fett vorher mit ausreichend Bremsenreiniger entfernen.
- Bei T4 mit Automatikgetriebe Stecker vom Multifunktionsschalter abziehen, Pendelstütze getriebeseitig lösen und Motor/Getriebe etwas nach vorne drücken.
- Gelenkwelle herausnehmen.
Wiederherstellung:
- Der Zusammenbau erfolgt in umgekehrter Reihenfolge.
- Dabei auf die korrekten Anzugsmomente achten:
- Befestigungsschraube Gelenkwelle/Radnabe (M16): 150 Nm + 90°
- Befestigungsschrauben Gelenkwelle/Getriebe 80 Nm (Sechskant M10) oder 100 Nm (Innenvielzahn M12)
- Befestigungsschrauben Gelenkwelle/Differential (Nur Syncro) 80 Nm (Sechskant M10) oder 40 Nm (Innenvielzahn M8)
- Befestigungsschraube Pendelstütze: 80 Nm + 90°
- Ist die Flanschwelle aus dem Getriebe gezogen worden, sollte folgende Vorgehensweise erfolgreich sein (gefunden im T4-Forum)
- Am besten die Gelenkwelle von der Flanschwelle abschrauben.
- Flanschwelle von Hand drehend soweit zurück drücken, bis man merkt, dass sie in die Verzahnung im Differential eingefädelt ist.
- Dann mit einem Hammer (irgendwas als Zwischenlage benutzen!) die Flanschwelle reintreiben.
Gelenkwelle zerlegen (außen)
Ein Zerlegen der Gelenkwelle wird in der Regel dann erforderlich, wenn die Gelenkschutzhüllen (Antriebsmanschette) oder eines der Gelenke wegen eines Defektes gewechselt werden muss.
Die meisten der nachfolgenden Bilder wurden von Detlef Puchert zur Verfügung gestellt, der die äußere Gelenkschutzhülle bei getriebeseitig noch eingebauter Gelenkwelle gewechselt hat.
Hinweise:
- Klemmschellen für die Gelenkschutzhüllen grundsätzlich erneuern, wenn sie geöffnet wurden.
- Gelenkwelle gründlich reinigen und leicht einfettten, bevor neue Gelenkschutzhüllen montiert werden. Sie können durch Schmutz und Unebenheiten beschädigt werden.
- Vor der Montage der Schutzhüllen Fettfüllung überprüfen und ggf. nachfetten. Dabei aber die maximale Fettmenge von 120 g pro Gelenk nicht überschreiten (Überhitzung, Herausdrücken von Fett).
- Nur Hochtemperaturfett verwenden. Z.B. G 052 133 für ca. 9,50 Euro (120 g).
Werkzeug:
- Schraubstock mit Schutzbacken
- Kneifzange
- Schraubenschlüssel oder Einsatz für Sechskantschraube M16 (zum Abdrücken des äußeren Gelenkes mit der zentralen Befestigungsschraube)
- Schraubenzieher
- Spitzzange
- (Plastik-)Hammer
- Spannzange VW 1275 oder alternativ Kneifzange
Arbeitsschritte:
- Antriebswelle in einen Schraubstock mit Schutzbacken einspannen.
- Klemmschellen z.B. mit Kneifzange zerschneiden oder mit Schraubenzieher aufbiegen und dann abziehen.
- Befestigungsschraube Gelenkwelle/Radnabe bis zum Anschlag reindrehen, bis das Gelenk blockiert, und dann vorsichtig weiterdrehen, um das Gelenk abzudrücken.
- Gelenkschutzhülle abnehmen, Gelenkwelle gründlich reinigen (z.B. mit Waschbenzin) und leicht einfetten.
- Tellerfeder und Anlaufring (Wölbung nach außen) aus dem Reparatursatz "Gelenkschutzhülle" auf die Welle schieben sowie Sicherungsfeder in die Nut einsetzen.
- Neue Gelenkschutzhülle mit kleinerem Klemmring auf die Gelenkwelle schieben und ggf. zurückklappen.
- Gleichlaufgelenk ggf. mit Waschbenzin reinigen und gut trocknen lassen.
- Gelenk fetten. Dazu ca. 80 g Fett durch die Innenverzahnung der Kugelnabe in das Gelenk eindrücken und ca. 40 g auf die Innenseite des Gelenkes verteilt auftragen.
- Gelenk auf die Welle schieben, bis ein Widerstand zu spüren ist. Dann das Gelenk vorsichtig mit dem Hammer (z.B. Gummihammer) auf die Welle auftreiben. Wenn der 1. Widerstand überwunden ist, sollte man das Gelenk noch ca. 2 cm weiter schieben können, bis der Sicherungsring ausfedert. Abschließend prüft man den korrekten Sitz, indem man versucht, das Gelenk auf der Welle zu verschieben. Ist dies ohne großen Kraftaufwand möglich, sitzt der Sicherungsring nicht korrekt.
- Gelenkschutzhülle auf das Gelenk schieben und dann beide Klemmschellen mit Spannzange VW 1275 oder einer (stumpfen) Kneifzange verquetschen.